Touring Exhibition Plein Air

08.12. — 11.12.2015
Europa Parlament Brüssel

Wenn wir hier die Werke des Pleinairs STADT-RAUM-KUNST auf uns wirken lassen, dann bewegen wir uns intuitiv weg von dem Begriff FreiLichtMalerei und ahnen, dass es bei diesem Arbeitstreffen von Künstlern eher um die räumliche Erfahrung architektonischer, historischer, sozialer und mentaler Landschaften ging. Am Anfang standen Fragen wie: Wird die eindrucksvolle Architektur den visionären Raum im Kopf des Künstlers verstellen, damit gewissermaßen im Wege sein? Können und wollen sich die Künstler der Faszination der überwältigenden und alles beherrschenden Architektur entziehen ohne gleichzeitig das Thema zu verlassen? Einerseits gibt das Thema STADT-RAUM-KUNST dafür viel Bewegungsfreiheit – andererseits sollte eine Ausstellung entstehen, die thematisch zusammen gehalten wird. Gibt es übergeordnete, abstrakte Kriterien, die – ohne Architektur zu sein – doch gleichsam das Wesen der Stadt ausmachen?

Ja! Zwei praktischen Kernelementen hat Görlitz seinen Aufstieg und damit wirtschaftlich auch die Errichtung der Bauten zu verdanken: der TUCHmacherzunft einerseits und der BLAU färbenden Pflanze Waid, die das mächtige Görlitzer Waidmonopol im 15. und 16. Jahrhundert symbolisiert. So wurden im Pleinair die fast alltäglichen Wortsymbole TUCH + BLAU zu einer einfachen Formel, zu Leitmaterial und Leitfarbe für die künstlerische Arbeit vor Ort und damit auch zum thematischen Zusammenhalt der Gesamtschau. Es entstanden ortsspezifische und raumbezogene Arbeiten, künstlerische Wahrnehmungsphänomene in denen Historie und Gegenwart, Fiktion und Realität verschwimmen. Die hier vorgebrachten Anmerkungen zu den Werken der Künstler vermögen lediglich einen kleinen Bruchteil dessen anzudeuten, was der Philosoph Reinhard Knodt1 als das nicht kommunizierbare „beflügelnde Dritte“ beschrieb. Kunst kann nicht wirklich „kommuniziert“ werden, denn sie ist das Größere gegenüber der Kommunikation. Kommunikation kann immer nur eine verkleinernde Sicht auf das Phänomen Kunst sein. Es gibt etwas „beflügelndes Drittes“, was über die Kommunikation zwischen Künstler und Betrachter hinausgeht und nur erlebt werden kann.

Elemente einer Kultur zu kennen ist hilfreich, doch eigentlich geht es darum, im Sinne einer inneren Stellungnahme eine eigene Stimme zu entwickeln. Sinnliches Empfinden, Erleben in der Weise, dass eine Sache besonders intensiv, begeistert erfahren wird, formt achtsames Verhalten. Und Bildung ist Besitz von Verhaltensweisen. So lassen uns die Künstler in der Betrachtung ihrer Werke einen Bildungsprozess durchlaufen, denn die im Pleinair STADT-RAUM-KUNST entstandenen Werke sind in ihrer Vielfalt ein Mut machendes Abbild von nahezu unerschöpflichen Möglichkeiten, das kulturhistorische Erbe der Stadt Görlitz zu entdecken und zu erfahren. Sich bilden, das ist wie ein Aufwachen in dem schon anfangs zitierten „beflügelnden Dritten“. Für diese Erfahrung sei allen Künstlern von Herzen gedankt.

Ramona Faltin M.A., Kuratorin